Leitbild der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte e.V.

1924 schlossen sich in Villingen historische Narrenzünfte zusammen und gründeten die „Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte“ (VSAN), um den Fastnachtsverboten der Regierungen Badens, Hohenzollerns und Württembergs entgegenzuwirken. Seither haben sich Figuren, Formen und Funktionen der Fastnacht rasant weiter entwickelt. In den 1930-er Jahren und nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden mehr Narrenfiguren neu als je zuvor. Bis zum heutigen Tag hat sich die Vereinigung auf 69 Mitgliedszünfte vergrößert. Neben der VSAN gibt es weitere größere und kleinere Narrenverbände. Unzählige Narrentreffen sowie deren Präsenz in den überregionalen Medien lassen die Fastnacht boomen. Etliche negative Entwicklungen erfordern allerdings eine inhaltliche Neupositionierung und Ausrichtung des Verbandes auf die Zukunft hin. Dieses Leitbild soll Wegweisung für die kommenden Jahre und Jahrzehnte bieten; es versteht sich nicht als statisches Reglement, sondern vielmehr als flexibler Leitfaden, der zur Orientierung dient und Kurskorrekturen auf dem Weg in die Zukunft zulässt.

 

Unser Selbstverständnis

Die schwäbisch-alemannische Fastnacht ist ein wichtiger Bestandteil der europäischen Kulturlandschaft. Die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte ist die älteste, größte und vielfältigste Narrenvereinigung im deutschen Südwesten. Lange vor der Gründung des Südweststaates umfasste das Verbandsgebiet bereits das heutige Baden-Württemberg. Die VSAN ist heute ein facettenreicher, grenzüberschreitender und in allen gesellschaftlichen Gruppierungen agierender Verband. Die VSAN nimmt somit eine verantwortliche Funktion war, der sie auch gerecht werden muss. Die VSAN und ihre Zünfte wahren dabei eine kritische Distanz zu Politik und Wirtschaftsverbänden.

 

Die Bewahrung, Förderung und behutsame Weiterentwicklung der überlieferten Fastnachtsbräuche der schwäbisch-alemannischen Narrenstädte und –dörfer sowie die „närrische“ Freundschaft unter den Mitgliedern stehen im Zentrum der Aktivitäten der VSAN. Sie vertritt die Interessen der schwäbisch-alemannischen Fasnacht und des Verbands gegenüber Dritten.

 

Die VSAN versteht sich als Dienstleister für die Mitgliedszünfte und die Medien. Sie ist ferner Partner der Wissenschaft und unterhält das „Zentralarchiv der schwäbisch-alemannischen Fasnet“ zur öffentlichen Nutzung. Die „Kulturstiftung der schwäbisch-alemannischen Fastnacht“ und das Museum „Narrenschopf“ sind zwar rechtlich selbständige Einrichtungen, gehören aber inhaltlich zur VSAN. Beide Institutionen und das Archiv sollen weiter ausgebaut und professionalisiert werden. Der „Forschungspreis der schwäbisch-alemannischen Fastnacht“, den die Kulturstiftung alle zwei Jahre vergibt, zeichnet herausragende wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Fastnacht aus.

 

Die VSAN versteht sich als Sprachrohr der 69 Mitgliedszünfte gegenüber der Politik und den Medien. In der medialen Wahrnehmung nimmt sie eine Vorreiterrolle ein und ist damit auch ein Imageträger der schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Insofern hat die VSAN Vorbildcharakter für andere Narrenvereinigungen und –zünfte. Dies verdeutlichen vor allem die zahlreichen Narrentreffen, die die VSAN und ihre Mitgliedszünfte veranstalten. Die Narrentreffen bieten eine Plattform für die närrische Gemeinschaft unter den Mitgliedern und für die öffentlichkeitswirksame Darstellung traditionellen Fastnachtsbrauchtums.

Durch die VSAN mit ihren in acht Landschaften gegliederten Narrenzünften sind verschiedene solidarische, gesellschaftliche und sozial-karitative Netzwerke entstanden.

 

Unsere Werte

  • An erster Stelle steht die traditionelle Ortsfastnacht. Sie ist von der VSAN aktiv zu fördern.
  • Die Bewahrung, Pflege und behutsame Weiterentwicklung der Fasnachtsbräuche und –figuren, der Musik, Lieder, Verse und Tänze sind die zentralen Aufgaben der VSAN mit ihren 69 Mitgliedszünften.
  • Die Qualität der traditionellen Narrenfiguren und –bräuche stellt das größte kulturelle Potential der Mitgliedszünfte dar.
  • Die Fastnacht ist untrennbar mit der Tradition des christlichen Abendlandes verbunden und wird nur innerhalb des überlieferten zeitlichen Rahmens gefeiert.
  • Durch die Vielzahl unterschiedlicher Bräuche stiftet Fastnacht Heimatbewusstsein und trägt zur Schaffung einer regionalen Identität bei.
  • Dem Narren steht das Rügerecht zu. Dieses soll er mit Respekt vor der Tradition und der Würde der Mitmenschen ausüben.
  • Alte närrische Funktionen, etwa das Schnurren oder das Tragen der Maske, müssen als Grundwert erhalten und von den Spitzen der Zünfte und dem Präsidium der VSAN gefördert werden.
  • Fastnacht ist sozial integrativ. In einem Miteinander der Generationen und sozialen Gruppen kann jeder nach seinen Möglichkeiten feiern. Fastnacht schafft Freude und Freundschaft durch Begegnung in einer offenen Gesellschaft, die Niemanden ausgrenzt; Gemeinnutz steht dabei vor Eigennutz.
  • Die europäischen Fastnachts- und Maskenbräuche stehen in einem engen Kontext. Trotzdem und gerade deswegen lehnt die VSAN Plagiate und Kopien bestehender Bräuche ab.
  • Der faire Umgang miteinander sowie mit Zuschauern und Zielpersonen der fastnächtlichen Bräuche ist eine Selbstverständlichkeit. Bei aller Ausgelassenheit, die zur Fastnacht gehört, sind die Regeln des Anstands und der Würde zu beachten.

 

Unsere Ziele

  • Die VSAN will an erster Stelle die örtliche Fastnacht fördern und stärken.
  • Die Fastnacht soll vor allem bei jungen Menschen die Identitätsbildung  begünstigen.
  • Bei Neubürgern und Migranten soll das Verständnis für die Traditionen geweckt werden; sie sollen in die Fastnacht integriert werden.
  • Die Fastnacht soll behutsam und sicher in die Zukunft geführt und begleitet werden.
  • Die Aufgabe der VSAN beschränkt sich auf das Beobachten, Behüten und Hilfestellung geben. Sie gibt Anregungen, Neues nach alten Regeln zu entwickeln.
  • Die Individualität der Zünfte und ihrer Ortsfastnacht wird von der VSAN geachtet und anerkannt.
  • Die Fastnacht soll als kulturelles Erbe Baden-Württembergs lebendig erhalten bleiben.
  • Freude, Fröhlichkeit und Mitmenschlichkeit sollen durch die Fastnacht vermittelt werden.
  • Überlieferte Rituale und Bräuche sollen erhalten und gepflegt werden. Hierzu gehört das Tragen der Maske im öffentlichen Raum, nicht nur bei Umzügen und Narrensprüngen.
  • Das Spektrum der überlieferten Figuren wird als ausreichend betrachtet. Künftig werden nur noch historisch eindeutig durch Schrift, Bild oder Originalteile belegte Narrenfiguren wieder belebt, jedoch keine neuen mehr geschaffen.
  • Kindergärten und Schulen sollen noch stärker in die örtliche Fastnacht mit einbezogen werden, um möglichst früh bei Kindern und Jugendlichen ein Interesse für Fastnacht zu wecken.
  • Der Erforschung der Fastnachtsbräuche und –traditionen durch örtliche Forscher und professionelle Wissenschaftler gilt das besondere Augenmerk der VSAN.
  • Im Museum Narrenschopf und dem Zentralarchiv werden Dokumente und sachliche Überlieferungen zur schwäbisch-alemannischen Fasnacht gesammelt, bewahrt, erforscht und ausgestellt.

Unsere Ablehnungen:

  • Es gibt keine Ausdehnung der Fastnacht über die Traditionsräume hinaus.
  • Dem Verlust lokaler Brauchformen soll entgegengewirkt werden.
  • Einer Verdrängung von Traditionsfiguren und einer Schwächung der Ortsfastnacht, etwa durch häufige Auswärtsbesuche, muss entschieden entgegen gewirkt werden.
  • Die so genannte „freie“ oder „wilde“ Fastnacht ist fester Bestandteil des Brauchtums. Sie darf nicht durch Uniformierung von Narrenkleidern und strengen Reglements verdrängt werden. Die Zünfte sind aufgefordert, sich positiv in dieser Richtung zu engagieren und die freien Elemente, wie bunte Gruppen, Scherbelgruppen und Initiativen, die die örtliche Fastnacht beleben, zu fördern.
  • Die VSAN lehnt Entwicklungen ab, die nicht der schwäbisch-alemannischen Fastnachtstradition und ihren Werten entsprechen.
  • Alkohol- und Gewaltexzessen sowie Vandalismus muss entschieden entgegengetreten werden.
  • Die VSAN tritt entschieden gegen eine Kommerzialisierung der Fastnacht als Selbstzweck ein.

 

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